Abgeschlossene Forschungsprojekte
PsychoTax
Verhaltenswissenschaftlich geleiteter Steuervollzug bei Klein- und Mittelunternehmen im Spannungsfeld zwischen kooperativer Zusammenarbeit und automatisierter „Überwachung“
Finanzierung: Exzellenzförderung innerhalb des Profilbildenden Bereichs Smart Regulation
Geplante Laufzeit: 04/2022 – 03/2023
Projektleiterinnen: Assoz.-Prof. Dr. Barbara Gunacker-Slawitsch (Institut für Finanzrecht) & Univ.-Prof. Dr. Katja Corcoran (Institut für Psychologie)
Kooperationspartner: Assoz.-Prof. Dr. Robert Rybnicek (Institut für Unternehmensführung und Entrepreneurship)
Mit dem Ziel, die Einnahmen der Staaten zu erhöhen und staatliche Ressourcen zu schonen, werden derzeit in vielen Staaten – auch in Österreich – Schritte in Richtung einer Weiterentwicklung bzw Neuausrichtung des Steuervollzugs gesetzt. Dabei sollen insbesondere moderne, mit Blick auf aktuelle verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse „designte“ Technologien zum Einsatz gelangen. Nach den Visionen der OECD sollen Steuerpflichtige (gerade im KMU-Sektor) in naher Zukunft ihre steuerlichen Pflichten sogar nur mehr insofern „wahrnehmen“, als sie technische Geräte oder Programme zu verwenden haben, die über das Internet mit dem Staat verbunden sind. Für die Steuererhebung relevante Informationen sollen automatisch und in Echtzeit an den Staat übermittelt und der Steuervollzug für die Steuerpflichtigen „nahezu unsichtbar“ werden.
In einem freiheitsschonenden Abgabenvollzug muss aber gleichzeitig die Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger weiterhin eine zentrale Rolle spielen. Eine effektive und effiziente Regulierung des Vollzugs in einem Smart Regulation-Ansatz, der auch nudging, Künstliche Intelligenz (KI) und Konsensinstrumente umfasst, setzt daher empirisch fundierte Kenntnisse über jene Faktoren voraus, die das Verhalten bzw. die Mitwirkungsbereitschaft der Steuerpflichtigen beeinflussen. Die einschlägigen Studien der OECD dazu konzentrieren sich auf große und international agierende Unternehmen; in Staaten wie Österreich ist die Unternehmenslandschaft allerdings maßgeblich von Klein- und Mittelunternehmen (KMU) geprägt und zahlreiche betriebswirtschaftliche Studien belegen die besonderen Charakteristika von KMU. Darüber hinaus fehlt bisher eine Auswertung von sowohl psychologischen als auch verhaltensökonomische Studien über das Verhalten der Steuerpflichtigen mit Blick auf die Herausforderungen im modernen Steuervollzug in diesem Sektor. Das vorliegende Projekt hat zunächst zum Ziel, klarere Einsichten über das Verhalten von Steuerpflichtigen im KMU-Bereich zu gewinnen. Erwartet wird, daraus zB Schlüsse für das Design moderner Technologien in einem verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen ziehen und die Grenzen verfassungsrechtlich zulässiger Verhaltenssteuerung besser abstecken zu können. Insgesamt gilt es für den Steuervollzug jedenfalls, eine angemessene Balance zwischen Effektivität und Effizienz auf der einen Seite und angemessener Freiheitsschonung des Einzelnen auf der anderen Seite zu finden.
In einem interdisziplinären Forschungsprojekt, in dem VertreterInnen der Psychologie, der Rechtswissenschaften und der Betriebswirtschaftslehre zusammenarbeiten, werden Vorschläge für eine Neuregulierung des Steuervollzugs im KMU-Sektor erarbeitet, die in Österreich umgesetzt und anderen Staaten als Inspiration und Vorbild dienen können.
Plattformökonomie und USt
Neue Intermediäre im Umsatzsteuerrecht am Beispiel von Dienstleistungen in der Plattformökonomie
Fördergeberin: Österreichische Akademie der Wissenschaften
Förderprogramm: DOC Stipendium
Förderdauer: 1.2.2020 – 11.9.2022
Abstract: Internetplattformen spielen in der heutigen Wirtschaft eine zentrale Rolle, da sie den Abschluss und die Ausführung von Geschäften über das Internet wesentlich unterstützen. Sie vernetzen Nutzer weltweit und erleichtern es ihnen, digitale oder analoge Dienstleistungen im umsatzsteuerrechtlichen Sinn zu erbringen. Dadurch kann ein (grenzüberschreitender) Leistungsaustausch zwischen dem Plattformbetreiber und den Nutzern sowie zwischen den Nutzern untereinander entstehen. Der Plattformbetreiber übernimmt die Rolle eines Intermediärs, der in Bezug auf private Beziehungen im Vergleich zum Staat einen Informationsvorsprung hat.
Die Besteuerung von Dienstleistungen über Internetplattformen stellt den Staat vor zahlreiche Herausforderungen. Zum einen verschwimmen die Sphären des aktiven Wirtschaftsteilnehmers und des Verbrauchers. Dies erschwert materiell-umsatzsteuerrechtlich die Feststellung der Unternehmereigenschaft und die Leistungszurechnung. Zum anderen können Kontrolldefizite entstehen, da Dienstleistungen, die über Internetplattformen angeboten werden, für den Staat nicht ohne weiteres erkennbar sind. Um dem steuerpolitischen Desiderat der Effektivität und Durchsetzbarkeit des Umsatzsteuerrechts gerecht zu werden, finden zunehmend gesetzliche Vermutungen Eingang in den Rechtsbestand. Außerdem werden in Form von Aufzeichnungs- und Auskunftsverpflichtungen sowie Haftungen vielfach Plattformbetreiber als Intermediäre in den Umsatzsteuervollzug eingebunden.
Die hier vorgelegte Arbeit systematisiert die umsatzsteuerrechtliche Einordnung von Dienstleistungen über Internetplattformen anhand von Beispielen und zeigt, dass die bestehenden Kategorien des unionsweit harmonisierten Mehrwertsteuersystems diese erfassen. Durch die Arbeit wird deutlich, wo der Umsatzsteuervollzug an faktische und rechtliche Grenzen stößt, und worauf bei der Einführung von Maßnahmen zu Vereinfachungs- und Kontrollzwecken vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des österreichischen Verfassungsgerichtshofes zu achten ist.
Einschlägige Publikationen:
- Zechner, Understanding VAT in Three-Party, Platform-Based Business Models: Which Party is Supplying Which Service? EC Tax Review 2022, 171 - 183
- Ehrke-Rabel/Hammerl/Zechner, Umsatzsteuer in einer digitalisierten Welt, ifst-Schrift 538 (2021)
- Hammerl/Zechner, SWK-Spezial Plattformhaftung (2020)
- Zechner, Internetplattformen und umsatzsteuerrechtliche Leistungszurechnung am Beispiel Airbnb, ÖStZ 2020, 300 - 309
- Ehrke-Rabel/Zechner, VAT Treatment of Cryptocurrency Intermediation Services, Intertax 2020, 498 - 514
- Zechner, How to Treat the Ride-Hailing Company Uber for VAT Purposes, International VAT Monitor 2019, 261 - 265
- Zechner, Ist Uber auch aus Sicht des Umsatzsteuerrechts Beförderungsdienstleister? SWI 2019, 522 - 530
- Ehrke-Rabel/Eisenberger/Hödl/Zechner, Bitcoin-Miner als Prosumer: Eine Frage Staatlicher Regulierung? - Dargestellt am Beispiel des Glücksspielrechts, ALJ 2017, 188 - 223
- Zechner, Kryptowährungen: Sind Wechselstuben, Handelsplätze und Walletanbieter umsatzsteuerpflichtig? taxlex 2017, 388 - 399
ETAPAS
Das H2020 Projekt ETAPAS erforscht disruptive Technologien, die in der öffentlichen Verwaltung zum Einsatz kommen sollen. Das Ziel von ETAPAS ist es, gemeinsam mit Vertreter*innen öffentlicher Behörden ein Framework für einen verantwortungsvollen Umgang mit disruptiven Technologien im öffentlichen Bereich zu erarbeiten.
ETAPAS steht für „Ethical Technology Adaption in Public Administration Services”. Das Projekt wird vom Ministero dell'Economia e delle Finanze (Italien) koordiniert und umfasst Partnerorganisationen aus Italien, Dänemark, Norwegen, Griechenland, Belgien, Schweden, Frankreich und Österreich.
Das ETAPAS-Team der Universität Graz wird von Univ.-Prof. Dr. Iris Eisenberger, M.Sc. (LSE) und Univ.-Prof. Dr. Tina Ehrke-Rabel geleitet und ist dafür zuständig, den derzeit vorhandenen rechtlichen Rahmen für den Einsatz disruptiver Technologien innerhalb der EU zu ermitteln (Legal Framework Analyse). Darauf aufbauend wird sich das Team mit vier unterschiedlichen Use Cases beschäftigen. Die Use Cases beinhalten unter anderem einen Gemeinde-Chatbot sowie Pflegeroboter und sollen dazu dienen, allgemeine Vorgaben für den ethischen und rechtlich einwandfreien Einsatz von disruptiven Technologien durch öffentliche Behörden zu ermöglichen.
This project has received funding from the European Union’s Horizon 2020 research and innovation programme under grant agreement No 101004594
Website: https://www.etapasproject.eu/
SOTER
Im Rahmen des SOTER EU-Projekts wird an einer umfassenden Lösung für den sicheren Zugang zu Finanzdienstleistungen geforscht. Dabei wird der Schwerpunkt sowohl auf die Entwicklung einer digitalen On-boarding-Plattform gelegt als auch auf die Erstellung von passenden Trainingsmaterialien für Mitarbeiter dieser kritischen Infrastruktur. Die Zusammenarbeit im Rahmen des Projekts erstreckt sich auf ForscherInnen verschiedener Disziplinen aus vier Staaten (Spanien, Österreich, Irland und Großbritannien).